Dienstag, 21. Juli 2009

Der Krug geht so lange zum Brunnen
bis er bricht

Über die Unbelehrbarkeit der Finanzjongleure

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat viele Menschen zum Nachdenken gebracht. Schon zu Beginn stellte sich die Frage, werden die verantwortlichen Politiker die Kraft haben, die merkwürdigen Spielregeln der Geld- und Zinspolitik zu verändern und die Auswüchse der Spekulationsgeschäfte entscheidend einzudämmen? Oder werden sich die beharrenden Kräfte durchsetzen, die nur darauf warten, weiter zu "wirtschaften" als wäre nichts geschehen.

Nichts dazu gelernt
Im Moment häufen sich die Signale, dass jene Kräfte Oberwasser bekommen, die die Krise einfach aussitzen wollen ohne nur das Geringste zu verändern. So meinte kürzlich der US-Präsident Barack Obama in einem Interview mit dem TV-Sender PBS: "Man hat nicht den Eindruck, dass bei den Leuten an der Wall Street irgendwelche Reue aufkommt." Schon Mitte Juli war unter orf.at zu lesen: "Was anfangs als geniale Idee gegolten hatte, wurde zum Auslöser der globalen Wirtschaftskrise: Kredite wurden zerlegt und mit anderen Krediten gebündelt, bis am Ende undurchsichtige Finanzprodukte übrig blieben, die sich gut verkaufen ließen. Das endete im Finanzdebakel. Aber ausgerechnet dieses Geschäft erlebt nun ein Comeback - mit Hilfe der Zentralbanken. Erste Geldhäuser wittern bereits wieder das große Geschäft."

Am 18. Juli 2009 gingen Meldungen über Quartalszahlen bei großen amerikanischen Banken ein: Während die US-Realwirtschaft leidet - hohe Arbeitslosenzahlen, Rekorddefizit und Millionen von Hausbesitzern, die ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können - fahren große Banken plötzlich satte Gewinne ein. So überraschte etwa die US-Bank Citigroup mit einem Gewinn von 4,3 Milliarden US-Dollar. Ebenfalls gute Gewinne vermeldeten die beiden US-Großbanken JPMorgan Chase und Goldman Sachs. Welche Leistungen haben sie in dieser kurzen Zeit erbracht? Für die Analysten ist klar, hier wird kräftig an der Spekulationsschraube gedreht. Auf diese Weise wurde z.B. im Sommer der Ölpreis künstlich in die Höhe getrieben.

Trotzdem wird nichts beim Alten bleiben
Mittelfristig wird sich die Krise der Realwirtschaft weiter verschärfen. Besonders dann, wenn die angekündigten Maßnahmen der Politiker, die jeweilige Finanzaufsicht zu verstärken oder die generellen Spielregeln der Geldwirtschaft zu hinterfragen, kaum umgesetzt werden. Im Moment verhalten sich die führenden Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft wie ein Arzt, der einen Krebspatienten schmerzstillende Mittel verabreicht, um ihn zu beruhigen. Das dicke Ende lässt jedoch nicht lange auf sich warten.

Gefragt sind auch die Bürger der einzelnen Staaten. Haben sie ein Bewusstsein dafür, was hier eigentlich gespielt wird? Oder überlassen sie das Denken den "Fachleuten"? Muss es erst zu sozialen Spannungen kommen, bevor sich etwas bewegt? Wenn man den Lebensweg von Nelson Mandela betrachtet und den Prozess verfolgte, bis schließlich grundlegende Änderungen in Südafrika möglich wurden, kann man ermessen, dass letzlich kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Es dämmert mehr und mehr Menschen, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem an einem Scheideweg angelangt ist. Wir stehen vor der Wahl: Wollen wir ein Wirtschaftssystem, das den Großteil der Menschen immer mehr zu Rädchen in einem globalen Casinospiel verkommen lässt oder wollen wir ein Wirtschaftsystem, das sich wieder an den Bedürfnissen aller Menschen orientiert? Wir leben in einer spannenden Zeit und es ist die Zeit gekommen, aktiv mitzugestalten, jeder auf seine Weise.
Ermutigend ist, dass in Österreich zur Zeit ernsthaft über die Verantwortung mehrerer Finanzminister diskutiert wird, die es befürwortet haben, dass öffentliches Geld in großem Stil für hochspekulative Geschäfte eingesetzt wird. Siehe auch in anderem Zusammenhang - Cross Border Leasing.

1 Kommentar:

  1. Zur sog. Finanzkrise gibt es einen weit verbreiteten und immer wiederholten Irrtum: die Ansicht, sie wäre durch den überbordenden Egoismus einer handvoll Spekulanten und/oder Manager entstanden. Stefan Schulmeister hat bei einer großen Veranstaltung in der AK Wien im Frühjahr 2009 klar herausgearbeitet, dass diese Krise das unvermeidliche Ergebnis des "business as usual" ist und nicht eines individuellen "Fehlverhaltens".

    Daher wird sich auch nicht viel ändern, wenn wie jetzt ein bisschen mit staatlicher Hilfe kosmetisch retouchiert wird.

    Solange nicht breit verstanden wird, dass der einzig denkbare Zweck von sog. Finanzmärkten die Umverteilung von unten nach oben ist, wird grundsätzlich nichts anders werden können.

    Es sei denn, man entwickelt -- allen Erwartungen zum Trotz -- eine Konstruktion ohne diesen Makel, die sich auch großflächig umsetzen ließe. Ich behaupte einmal, das ist grundsätzlich unmöglich -- ließe mich aber von einer guten Idee überzeugen (dazu müsste sie allerdings erst einen absoluten Härtetest überstehen).

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